
BioNTech, CureVac & Co. Die neuen Impfstoff-Partnerschaften
Stand: 07.01.2021 17:45 Uhr
Bei der Entwicklung und Produktion von Corona-Impfstoffen bilden sich zunehmend internationale Allianzen. Nach BioNTech mit Pfizer kooperiert nun auch CureVac mit Bayer.
Von Notker Blechner, tagesschau.de
Vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie war das Impfstoff-Geschäft fast monopolistisch organisiert. Vier Konzerne teilten sich den Milliarden-Markt auf: die US-Pharmakonzerne Pfizer und Merck & Co., die britische GlaxoSmithKline sowie die französische Sanofi. Als Weltmarktführer rühmt sich Glaxo, elf Mal in der Geschichte der Menschheit den ersten Impfstoff für Infektionskrankheiten wie Masern und Gürtelrose gefunden zu haben.
Im Rennen um einen Impfstoff gegen das Coronavirus ist Glaxo diesmal nicht vorne mit dabei. Das Mittel mit gentechnisch hergestelltem Virusprotein und Adjuvans, das die Briten gemeinsam mit Sanofi erforschen, wird frühestens Ende dieses Jahres zugelassen. Französische Medien sprechen von einer "nationalen Schmach".
Kleine Firmen haben die Nase vorn
Schneller sind diesmal kleine innovative Biotech-Firmen wie BioNTech, Moderna und CureVac. Mit ihrer neuartigen mRNA-Technologie revolutionieren sie den Markt für Impfstoffe. Bernd Ziegler, Pharmaexperte der Boston Consulting Group, sieht hier das Potenzial zur disruptiven Technologie. Bei dauerhaftem Erfolg könnten die Impfstoffhersteller ohne lange Vorlaufzeit schnell auf medizinische Notwendigkeiten reagieren und womöglich einen großen Teil der klassischen Impfstoffe ersetzen, sagte er in der "Börsen-Zeitung".
Im Kampf gegen das Coronavirus sind die neuen Impfstoff-Pioniere aber auf große Partnerschaften angewiesen. Denn sie müssen in kurzer Zeit Milliarden Dosen an die Weltbevölkerung liefern. Das geht nur im Verbund mit "Big Pharma".
BioNTech produziert Millionen Dosen mit Pfizer
So ist das Mainzer Unternehmen BioNTech mit dem Pharmariesen Pfizer, Nummer vier im weltweiten Impfstoffgeschäft, eine umfassende Kooperation eingegangen - für die Organisation der klinischen Studien, die Fertigung und selbst die Vermarktung. Gemeinsam werden sie in diesem Jahr 1,3 Milliarden Impfdosen des Mittels Comirnaty produzieren. Pfizer stellt hierfür mehrere Werke in Amerika und im belgischen Puurs zur Verfügung. Sie dienen als Logistikzentren und werden auch als "Freezer Farms" bezeichnet. Zur Verteilung des ultrasensiblen Impfstoffs hat Pfizer zudem eine koffergroße Box geschaffen, die mehrere Tausend Impfdosen transportieren kann.
CureVac bildet Allianz mit Bayer
Nach dem Vorbild von Biontech-Pfizer schmiedet nun auch die Tübinger Biotech-Firma CureVac eine Allianz mit dem deutschen Pharmagiganten Bayer. Dabei handelt es sich um einen Kooperations- und Servicevertrag. Nach Angaben der Sprecher beider Unternehmen unterstützt Bayer CureVac bei der klinischen Studie der Phase III, bei regulatorischen Aufgaben und bei Fragen rund um die Arzneimittelsicherheit. Der Leverkusener Pharmakonzern hilft bei der Verpackung, Abwicklung und Verteilung des Impfstoffs. An der Produktion beteiligt sich Bayer vorerst nicht. Der Konzern prüfe aber Produktionsmöglichkeiten in seinen Werken und werde sich dazu im Laufe des ersten Quartals äußern. Bisher stellte Bayer gar keine Impfstoffe her.
CureVac bleibt Inhaber der Marktzulassung für das Produkt in der EU. Bayer erhält die Optionen, um Inhaber der Marktzulassung in anderen Märkten außerhalb Europas zu werden. Über finanzielle Details äußern sich beide Unternehmen nicht.
Bislang arbeiten die Tübinger bereits mit Wacker Chemie und der französischen Fareva zusammen. Wacker wird den Impfstoff in Amsterdam produzieren, sobald er zugelassen ist. CureVac sucht derweil nach weiteren Partnern, um sein Produktionsnetzwerk zu erweitern. 2021 will CureVac 300 Millionen Dosen des Impfstoffs "CVnCov" produzieren.
Moderna kooperiert mit Lonza, AstraZeneca mit dem Serum Institute
Auch die US-Firma Moderna setzt bei der Produktion und Verteilung ihres Impfstoffs auf Partnerschaften. Die US-Firma arbeitet mit dem Schweizer Pharmazulieferer Lonza zusammen. Lonza hat Anlagen in den USA und in Visp im schweizerischen Wallis. Ein weiterer Partner von Moderna ist der Auftragsfertiger Catalent, der für die Abfüllung sorgt.
Im Corona-Impfstoffrennen mischt auch die britische AstraZeneca mit. Das gemeinsam mit der Universität Oxford entwickelte Vektorviren-Impfmittel befindet sich in Phase III und steht unmittelbar vor der Zulassung. Die Briten kooperieren mit dem weltgrößten Auftragsfertiger, dem indischen Serum Institute. Es könnte rund eine Milliarde Dosen liefern. Darüber hinaus arbeitet AstraZeneca unter anderem mit der niederländischen Halix zusammen, die im Besitz der Düsseldorfer Beteiligungsgesellschaft Droege Group ist.
Partnerschaften mit Auftragsfertigern
Einen ähnlichen Ansatz wie AstraZeneca verfolgt Johnson & Johnson. Der US-Konzern tüftelt ebenfalls an einem Vektorviren-Impfstoff, der sich aktuell noch in Phase III befindet und möglicherweise noch im Januar zugelassen werden könnte. Partner sind der Auftragsfertiger Catalent und Zulieferer wie Emergent Solutions und die deutsche Vibalogics.
Auch die chinesischen Impfstoffhersteller Sinopharm, Sinovac und CanSino sind auf Partner angewiesen, vor allem außerhalb des Reichs der Mitte. Sie haben mehrere Test- und Produktionsverträge mit Forschungsinstituten in Ländern wie Brasilien, Saudi-Arabien, Pakistan, Peru und Serbien geschlossen.
Hoffnungsträger aus Dessau
Noch weit entfernt von einer Zulassung ist die IDT Biologika aus Dessau. Deren Vektorviren-Impfstoff auf Basis von MVA-Viren befindet sich noch in Phase I der klinischen Entwicklung. IDT Biologika forscht gemeinsam mit der Uni München, Uni Marburg, dem Uniklinikum Hamburg-Eppendorf und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung am Anti-Corona-Mittel.
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