
Baden-Württemberg Schulstart mit Sorge
Stand: 14.09.2020 04:28 Uhr
Baden-Württemberg ist das letzte Bundesland, in dem die Schule wieder startet. Alle anderen Länder haben bereits mit dem Unterricht in Corona-Zeiten begonnen - mit unterschiedlichen Regeln und Folgen.
Von Jennifer Rieger, SWR
Kurz vor dem Schulstart steigt bei Rektor Claus Stöckle noch einmal das Adrenalin. "Dieses Formular bereitet mir echt Kopfzerbrechen. Was, wenn das heute nicht alle Schüler dabeihaben?" Stöckle ist Schulleiter der Aurain Realschule in Bietigheim-Bissingen. Und "das Formular", um das er sich sorgt, ist eine Art Gesundheitsbescheinigung, die jeder Schüler ausgefüllt mitbringen soll. Eigentlich. Denn so will es das Bildungsministerium in Baden-Württemberg. Theoretisch.
Dass Theorie und Praxis vor allem in Corona-Zeiten nicht richtig zusammengehen wollen, das hat Rektor Stöckle in den vergangenen Monaten schon oft schmerzlich erfahren müssen. Erst der Lockdown, dann die Probleme mit der Digitalisierung, die Umsetzung des Hygienekonzeptes und nun der Start ins neue Schuljahr. "Wir haben wirklich bis an unsere Leistungsgrenze alles gegeben, um einen reibungslosen Schulstart möglich zu machen", so Stöckle. Etwas flau ist ihm dennoch - zum Beispiel, wenn er in andere Bundesländer blickt.
Die Sorge des Rektors
Alle anderen Bundesländer haben bereits mit dem Unterricht begonnen und dabei unterschiedliche Erfahrungen gemacht. In Rheinland-Pfalz etwa schloss in der vergangenen Woche eine gesamte Schule ihre Tore, 880 Schüler und die Lehrer wurden nach Hause in Quarantäne geschickt. An 21 weiteren Schulen in Rheinland-Pfalz sind bislang einzelne Klassen von einer Quarantäne betroffen - allein in den vergangenen vier Wochen.
Geschichten wie diese flößen Rektor Stöckle Respekt ein, zumal im Nachbarland ähnliche Hygienevorschriften gelten wie in Baden-Württemberg. Hier wie dort soll Unterricht an den weiterführenden Schulen wieder Regelunterricht sein und findet im Klassenverband statt, nach dem sogenannten Kohorten-Prinzip. Das heißt: Es gibt festgelegte Gruppen, die sich nicht vermischen sollen. Hier wie dort gibt es keine Maskenpflicht im Klassenzimmer und wird regelmäßiges Händewaschen empfohlen.
Diese Regeln gelten so ähnlich in ganz Deutschland - aber eben nur so ähnlich. So beinhaltet das Kohorten-Prinzip in Baden-Württemberg auch, dass jahrgangsübergreifendes Lernen, also in AGs oder Orchestern, erstmal nicht erlaubt ist. In Bremen und Niedersachsen scheint man das etwas lockerer zu sehen, hier dürfen Kohorten auch schon mal mehrere Lerngruppen umfassen.
Letztes Bundesland: In Baden-Württemberg beginnt der Schulbetrieb
tagesschau 12:00 Uhr, 14.09.2020
Unterschiedliche Regelungen
Der Kultusminister von Sachsen, Christian Piwarz, legte in einem Interview mit dem MDR die Verantwortung in Sachen Hygiene ganz in die Hände der Schulen. "Denn wenn eine Entscheidung vor Ort getroffen wird, trifft sie im Regelfall auf eine höhere Akzeptanz, als wenn ich in meinem Dresdner Ministerbüro Entscheidungen treffe, die dann möglicherweise nicht nachvollzogen werden können", so Piwarz. Und in Hessen? Da gilt zwar landesweit eine Befreiung von Mundbedeckungen während des Unterrichts - die Stadt Frankfurt jedoch hat die Maskenpflicht im Klassenzimmer Ende August für zunächst zwei Wochen wieder eingeführt.
Deutschland, ein Flickenteppich
Die Corona-Regeln an deutschen Schulen sind ein Flickenteppich. Das ist auch dem dynamischen und regional unterschiedlichen Infektionsgeschehen geschuldet. Tatsächlich unterscheiden sich die Infektionszahlen quer durch die Republik. So läuft zum Beispiel in Sachsen-Anhalt der Schulbetrieb bereits seit zweieinhalb Wochen. Am vergangenen Freitag musste die erste Schule wegen Corona schließen. In Bayern hat der Schulbetrieb erst vergangenen Dienstag wieder begonnen - und schon jetzt befinden sich über 1000 Schüler und mehr als 200 Lehrer in Quarantäne.
Derzeit gilt in der Politik der Leitsatz: Einzelne Schulschließungen sind zwar schlimm, aber weniger katastrophal als ein kompletter Lockdown. Rektor Claus Stöckle aus Bietigheim-Bissingen will dennoch vorsichtig optimistisch ins neue Schuljahr gehen. "Natürlich spüren wir eine Zunahme der Hektik und auch eine Verunsicherung in den Elternhäusern. Aber so schlimm wie im März kann es gar nicht wieder werden", sagt er. "Wir freuen uns jetzt erst einmal auf die Kinder."
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