
Diskussion über Durchführbarkeit Corona bringt Karneval ins Wanken
Stand: 19.08.2020 15:28 Uhr
Schunkeln mit Abstand? Bützchen auf die Maske? Die nächste Karnevalssession würde während der Corona-Pandemie stattfinden - was viele Politiker besorgt. Die zuständigen Vereine kündigen kreative Konzepte an.
Die meisten Menschen, die nicht in den deutschen närrischen Hochburgen leben, verbinden mit Karneval allenfalls die Rosenmontagsumzüge und mäßig witzige Prunksitzungen. Doch die Fünfte Jahreszeit dauert für die vielen aktiven Karnevalistinnen und Karnevalisten mehrere Monate und ist vermutlich nie ganz aus den Köpfen verschwunden.
So lässt sich auch die engagierte Debatte darüber erklären, ob Karneval und die Corona-Pandemie irgendwie zusammenpassen. Denn das Gros der Stimmen kommt aus Bundesländern, in denen auch normalerweise kräftig gefeiert wird.
So glaubt Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann derzeit eher nicht, dass der nächste Karneval stattfinden kann. "Bei der jetzigen Infektionslage kann ich mir Karneval nicht vorstellen", sagte der CDU-Politiker in Düsseldorf. "Wir haben ja auch im Frühjahr die Schützenfeste nicht gemacht, wir machen jetzt im Herbst die Kirmes nicht."
Er wolle die Entscheidung auf jeden Fall mit den Karnevalsvereinen zusammen treffen, versicherte er. Man solle sich damit auch ruhig noch zwei, drei Wochen Zeit lassen. Es komme zudem darauf an, wie sich die Corona-Situation in Zusammenhang mit Reiserückkehrern entwickle.
Diskussionen über Durchführung der kommenden Karnevalssession
nachtmagazin 00:13 Uhr, 20.08.2020, Kristina Klusen, WDR
Was meint die "Putzfrau Gretel"?
Dagegen forderte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer eine rasche Entscheidung. Es sei "sehr notwendig, dass die Verantwortlichen in den Ländern und auch im Bund mit den (Karnevals-)Verbänden reden. Denn für alle Beteiligten muss aus meiner Sicht sehr schnell Klarheit geschaffen werden", sagte sie dem Sender "Welt".
Kramp-Karrenbauer ist zwar nicht aus Nordrhein-Westfalen, sondern aus dem Saarland, gilt aber nicht nur in ihrer Rolle als "Putzfrau Gretel" als Karnevalsenthusiastin. Sie fügte hinzu: "Im Karneval steckt unglaublich viel Herzblut, Engagement" - und auch viel finanzielles Engagement.
"Nicht mit Abstand und Schutzmaske"
Allgemein deutlich skeptischer sieht SPD-Chef Norbert Walter-Borjans die kommende Session. "Das, was Karneval ausmacht, gerade in den Zentren des Karnevals, das wird nicht gehen", sagte der Rheinländer dem Sender ntv. Er sei "tief traurig, wenn er nicht in der üblichen Form ablaufen kann".
Walter-Borjans betonte aber: "Karneval, so wie er ist, geht nicht mit 1,50 Meter-Abstand und Schutzmaske." Auch Veranstaltungen, wie man sie kenne, würden so nicht gehen. Am Ende sei das gar nicht kontrollierbar. Deswegen müsse man neue Formen finden.
Große Sorgen bei Spahn
Ähnlich sieht es Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der die Debatte mit seiner Skepsis vermutlich auf die große politische Bühne gehoben hatte. Die "Rheinische Post" zitierte ihn aus einer Schaltkonferenz des Gesundheitsausschusses wie folgt:
"Ich war selbst Kinderprinz und komme aus einer Karnevalshochburg. Ich weiß also, wie wichtig Karneval für viele Millionen Deutsche ist. Aber: Ich kann mir Karneval in diesem Winter, mitten in der Pandemie schlicht nicht vorstellen. Das ist bitter, aber so ist es."
Karnevalisten denken um
Und wie sehen es die Karnevalisten selbst? Der Bund Deutscher Karneval ist gegen eine pauschale Absage von Fastnachts- und Karnevalsveranstaltungen. "Jeder, der mit klarem Verstand die Situation einschätzt, ist sich darüber im Klaren, dass für 2021 die gewohnten Feier- und Veranstaltungsformen nicht vorstellbar sind", teilte das Präsidium des Dachverbandes mit. Mit viel Kreativität und Ideenreichtum seien jedoch "Karnevalisten und Fastnachter" in den verschiedenen Regionen derzeit dabei, Feierformen zu entwickeln, die die Gesundheitsvorgaben beachteten und bisher nicht denkbar oder technisch möglich gewesen seien. Denn auch für den Karneval gelte: "Not macht erfinderisch!"
Der Bund Deutscher Karneval vertritt nach eigenen Angaben etwa 5300 Vereine und Zünfte, mit zusammen ungefähr 2,6 Millionen Mitgliedern.
Der Präsident des Festkomitees Kölner Karneval, Christoph Kuckelkorn, sieht das närrische Treiben auch eher kritisch.: "Der Straßenkarneval, der Kneipenkarneval, das sind Elemente, die wir uns nicht vorstellen können", sagte er dem WDR. Alkohol sei sicherlich eine Komponente, die man bei allen Planungen bedenken müsse. "Vielleicht gibt es ja auch Veranstaltungen, in denen es auch gar keinen Alkohol mehr gibt oder nur noch eingeschränkt Alkohol."
Entscheidung im September?
Auch viele Narren im Südwesten blicken mit Sorge auf die Fastnacht im kommenden Jahr - für eine generelle Absage ist es aus Sicht der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN) aber noch zu früh.
Man werde Ende September über die Fünfte Jahreszeit entscheiden, sagte VSAN-Präsident Roland Wehrle der Nachrichtenagentur dpa. Aber auch danach könne sich an der Bewertung noch etwas ändern. "Die Situation ist dynamisch." Es gelte, abzuwägen zwischen der Verantwortung für die Narren und ihren Besuchern auf der einen Seite, aber auch dem Bedürfnis, sich zu begegnen und gemeinsam Fastnacht zu feiern.
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