
Trumps Auftritt in Tulsa Wahlkampf in einer geteilten Stadt
Stand: 20.06.2020 09:46 Uhr
Tausende Trump-Fans reisen zum Wahlkampf des US-Präsidenten in Tulsa. Dort erwarten sie protestierende Anwohner. Sie sind sauer auf die unvorsichtigen Gäste. Für weitere Spannung sorgt die Rassismus-Debatte.
Von Julia Kastein, ARD-Studio Washington, zzt. in Tulsa
Volksfeststimmung in Downtown Tulsa, schon am Tag vor Donald Trumps erster Wahlkampf-Rallye seit über drei Monaten. Ganze Großfamilien haben am Straßenrand ihre Zelte und Campingstühle aufgestellt. Blake aus San Diego in Kalifornien campiert schon seit Mittwoch in der Nähe der Arena. Der 55-Jährige ist nicht zu übersehen: Sein Anzug sieht aus wie eine rot-orange Backsteinmauer.
Das Outfit soll seine Unterstützung für Trumps Mauerbaupläne Richtung Mexico demonstrieren, erklärt Blake. Eine Maske trägt er nicht - wie die meisten hier.
Der Präsident als Idol
Andrea, in Trump-T-Shirt und rosa Trump-Kappe, erzählt stolz, sie habe abgewunken, als ihr ein Gesichtsvisier sogar gratis angeboten wurde. Diese ganze Sache mit Covid sei doch völlig übertrieben, sagt die pensionierte Krankenschwester. Die offiziellen Zahlen, mehr als 2,2 Millionen Infizierte und fast 120.000 Tote, seien Fake News und total übertrieben. Wie Trump vor ein paar Monaten findet nun auch Andrea, das sei nur eine Erfindung der Demokraten.
Andrea, die im Nachbarstaat Arkansas lebt, hat schon eine Nacht im Schlafsack unter freiem Himmel verbracht, nur um sich einen guten Platz in der Warteschlange zu sichern. Sie sei schon immer ein Riesenfan von Trump. Es sei eine tolle Möglichkeit, ihr Idol zu sehen.
Vor Wahlkampfveranstaltung von Trump in Tulsa
tagesthemen 23:25 Uhr, 20.06.2020, Jan Philipp Burgard, ARD Washington
Angst vor neuen Corona-Höchstwerten
Laut Trumps Wahlkampfteam haben sich fast eine Million Menschen online angemeldet. In die Arena passen nur 19.000. Zehntausende werden sich deshalb in den gesperrten Straßen drum herum drängeln. Vielen in der 400.000-Einwohner-Stadt wäre es lieber, die vielen Menschen würden gar nicht kommen. Die Klage mehrerer Geschäftsleute wurde vom Obersten Gericht von Oklahoma am Freitag abgewiesen.
Trumps Team will Desinfektionsmittel und Masken in der Arena verteilen. Ob die Leute sie aufsetzen, bleibt ihnen selbst überlassen. Abstand halten können sie gar nicht.
Michael Thomlinson, der nur ein paar Blocks weiter eine Smoothie-Bar betreibt, macht sich Sorgen: "Die ganze Woche sind die Fallzahlen in Tulsa auf immer neue Höchstwerte gestiegen. Und all diese Leute, die hier ohne Maske rumlaufen. Das macht mir Angst für meine Stadt." Michael überlegt noch, ob er heute aufmacht. Viele seiner Nachbarn haben aus Angst vor Übergriffen ihre Schaufenster mit Spanplatten verbarrikadiert.
Gegenprotest an historischem Ort
Trumps Auftritt in Tulsa sorgt schon seit Tagen für landesweite Schlagzeilen. Und das liegt auch am Zeitpunkt: Ursprünglich sollte er schon gestern, am 19. Juni stattfinden. An "Juneteenth", wie dieser Tag genannt wird, feiern viele Amerikaner das endgültige Ende der Sklaverei. Nach Protesten verschob Trump die Rallye. Doch die damit beschwichtigte er in Tulsa nicht alle.
Auf der Festwiese im Norden der Stadt haben sich trotz Regenschauern Hunderte Menschen versammelt und lauschen den Auftritten lokaler Musiker. Der Ort hat für die Schwarzen große Bedeutung: vor fast 100 Jahren fand hier das schlimmste rassistische Massaker in den USA statt. Der legendäre Stadtteil Greenwood, wegen seines Wohlstands auch die "Schwarze Wall Street der USA" genannt, wurde von einem weißen Mob in Schutt und Asche gelegt. Bis zu 300 Menschen sollen damals gestorben sein, die genauen Zahlen sind immer noch nicht klar.
"Wir sind auch Amerikaner"
Wegen Covid 19 hätte die "Juneteenth"-Feier eigentlich ausfallen sollen, erzählt Nehemiah Frank, einer der Organisatoren. Aber als klar war, dass Trump kommt, hätten sie sich anders entschlossen. Als Gegenpol: Denn Trump sei Spalter und bringe Schwarze und Weiße gegeneinander auf. "Unsere Botschaft ist: Wir sind auch Amerikaner. Vor 400 Jahren wurden die ersten von uns hier versklavt. Und 400 Jahre später werden wir immer noch unterdrückt."
Auch die weiße Tulsanerin Lauren steht am Rande der Festwiese und verteilt Gratis-Masken, die hier auch die meisten tragen. Es wäre gelogen zu behaupten, dass Tulsa keine geteilte Stadt ist, sagt die 35-Jährige. Und es werde sicher noch sehr lange dauern, die Gräben zu überwinden.
Für heute hofft sie erstmal, dass diese Gräben nicht noch weiter aufreißen: Neben der Trump-Rallye sind auch mehrere Gegendemonstrationen in der Innenstadt angemeldet. Um Ausschreitungen zu verhindern, hatte der republikanische Bürgermeister von Tulsa am Donnerstag eine nächtliche Ausgangssperre bis Sonntag verhängt.
Trump beschimpft Demonstranten
Inzwischen wurde die wieder zurückgenommen. Offenbar auch auf Druck aus dem Weißen Haus: US-Präsident Trump jedenfalls dankte dem Bürgermeister per Tweet, dass seine Anhänger rund um die Arena ungestört feiern dürfen.
Zuvor hatte er Demonstranten und Zitat "Low-lifes", sprich Gesocks, davor gewarnt, nach Tulsa zu kommen. Sie würden dort nicht so behandelt wie in New York oder Minneapolis. Trump hatte beiden Städten vorgeworfen, nicht hart genug gegen Proteste und Ausschreitungen vorgegangen zu sein.
Ehre oder Ärgernis? Stimmung vor Trump-Rallye
Julia Kastein, ARD Washington
20.06.2020 06:42 Uhr
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