
Polnische Regierung Katzenfreund Kaczynski löst Krise aus
Stand: 22.09.2020 09:28 Uhr
Mit einem neuen Tierschutzgesetz erfüllt die polnische Regierungspartei PiS ihrem Vorsitzenden Kaczynski einen Herzenswunsch. Doch das Projekt spaltet die Koalition - und freut vor allem die Opposition.
Von Michael Reinartz, ARD-Studio Warschau
In der vergangenen Woche kochten die Emotionen so richtig hoch. "Kaczynski - Verräter an der Landbevölkerung" skandierten die Bauern auf einer Demonstration vor dem Parlament. Dort sollte kurz darauf eine Abstimmung stattfinden, bei der unter anderem über das Verbot von rituellen Schlachtungen in Polen entschieden werden sollte.
Dabei ging es um das Fleisch, das polnische Landwirte nach Israel und in arabische Länder exportieren. Es ging aber auch grundsätzlich um die Bedingungen, unter denen Nutztiere in Polen gehalten werden sollen.
Duda will Landwirte besänftigen
Um die Wogen ein wenig zu glätten, lud Präsident Andrzej Duda, der aus der Kaczynski-Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) kommt, dann am Wochenende Landwirtinnen und Landwirte zu seinem Amtssitz und betonte, die Arbeiten am Gesetz seien noch nicht zu Ende.
"Die gute Tierhaltung ist für mich sehr wichtig", sagte Duda. Tiere müssten unter guten Bedingungen leben, man dürfe im Gesetzgebungsprozess aber nicht vergessen, dass an erster Stelle der Landwirt und sein Leben stünden. "Ich will stark betonen, im gewissen Sinn auch mit Wut, dass es während der Debatte auch viele falsche und unwahre Worte gab, vor allem von denjenigen, die sich mit der Landwirtschaft nicht wirklich auskennen oder nie eine Tierzucht gesehen haben."
Stimmen der Opposition bringen Gesetz durch
Nach der Abstimmung im Parlament am Freitag soll es nun vor allem den Pelztierzüchtern im Land an den Kragen gehen: Die Aufzucht von Nerzen, Nutrias oder Füchsen soll in Polen demnach komplett verboten werden. Das alles geschieht auf Betreiben von Jaroslaw Kaczynski, dem Vorsitzenden von PiS, der als Katzenliebhaber und Tierfreund bekannt ist.
Der ebenfalls von PiS kommende Landwirtschaftsminister Jan Ardanowski und 38 Abgeordnete aus der Partei stimmten jedoch gegen den Gesetzesvorschlag - wie auch nahezu alle Parlamentarier der beiden kleinen Koalitionspartner aus dem rechten Regierungslager. So brauchte Kaczynski die Stimmen der ungeliebten Opposition, um das umstrittene Tierschutzgesetz im Parlament durchzubringen.
Das wiederum brachte Tomasz Nalecz, den ehemaliger Berater des früheren liberal-konservativen Präsidenten Bronislaw Komorowski zu einer süffisanten Äußerung: "Ich bin ein großer Fan von diesem Gesetz, ich liebe die Tiere, und die Unterstützung von diesem Gesetz ist Ausdruck unserer Menschlichkeit", sagte der Oppositionspolitiker.
Das Gesetz werde allerdings der PiS-Partei politisch schaden, "denn so legt man sich mit denjenigen an, die PiS bisher unterstützt haben". Es werde nicht durchgesetzt, weil es im politischen Interesse von PiS liege, "sondern wegen der persönlichen Sympathien von Jaroslaw Kaczynski, einem Mann, der bei all seinen Nachteilen ein großes Plus hat: Er liebt Tiere - sogar mehr als manche Menschen".
Neuwahlen sind noch nicht vom Tisch
Bislang hat das Tierschutzgesetz nicht nur massiven Unmut bei der Stammwählerschaft auf dem Land ausgelöst, sondern nebenbei auch noch eine handfeste Regierungskrise. Noch gestern stand die Koalition kurz vor dem Bruch - Kaczynski hatte offen mit dem Rauswurf des Justizministers Zbigniew Ziobro von der kleinen Partei "Solidarisches Polen" gedroht. Dies wiederum hätte eine Minderheitsregierung und womöglich Neuwahlen zur Folge gehabt.
Und längst ist das Thema nicht ganz vom Tisch, denn am Mittwoch wird das Gesetz zunächst noch in den Senat, die zweite Kammer des polnischen Parlaments, eingebracht. Aber, und das ist tatsächlich die gute Nachricht für Katzenfreund Kaczynski: Hier hat seit fast einem Jahr die Opposition die Mehrheit.
Debatte über Tierschlachtung und -haltung in Polen
Michael Reinartz, ARD Warschau
22.09.2020 09:08 Uhr
Audio
Aus dem Archiv
Weitere Meldungen aus dem Archiv vom 22.09.2020
- Alle Meldungen vom 22.09.2020 zeigen