
Proteste in Israel Der Frust in der Bevölkerung wächst
Stand: 12.07.2020 12:56 Uhr
Die zweite Corona-Welle sorgt erneut für Einschränkungen im Leben der Israelis. Viele stehen vor wirtschaftlichen Problemen, Tausende fordern Hilfe von der Regierung. Nach vielen Versprechen soll die nun endlich kommen.
Von Tim Aßmann, ARD-Studio Tel Aviv
So klingt aufgestauter Frust: Rund 10.000 Menschen, mit Masken, aber nur wenig Abstand, stehen auf dem Rabin-Platz im Zentrum von Tel Aviv und sind sauer. Sie fühlen sich von Israels Regierung mit den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie alleine gelassen. Es ist der größte Protest dieser Art in den vergangenen Monaten.
Demonstrationen gegen Netanjahus Corona-Politik in Israel
tagesschau24 16:00 Uhr, 12.07.2020, Tim Aßmann, ARD Tes Aviv
Er habe kein Einkommen mehr, sagt ein Mann aus der Umgebung von Tel Aviv. Und die Regierung helfe nicht.
"Wir arbeiten seit fast fünf Monaten nicht mehr, und leider haben die meisten von uns keinerlei Unterstützung von der Regierung bekommen. In jedem anderen Land der Welt bekamen die Menschen Hilfe von ihrer Regierung. Hier in Israel bisher leider nicht."
Regierung räumt Fehler ein
Mitte März fuhr die Regierung das öffentliche Leben herunter. Die Arbeitslosenquote im Land stieg in der Folge von knapp vier auf bis zu 27 Prozent. Ende Mai begannen in Israel die Lockerungen. Doch für viele dauert die Krise an. Die Arbeitslosigkeit liegt weiterhin bei rund 20 Prozent.
Während die Wirtschaftskrise also weiter da ist, steigen die Infektionszahlen im Land seit einigen Wochen wieder rasant an. In den vergangenen Tagen wurden jeweils mehr als 1000 neue Corona-Fälle in Israel registriert.
Die Regierung spricht offiziell von einer zweiten Welle und hat Fehler in ihrer Lockerungsstrategie eingeräumt. Nun soll die Wirtschaft mit einem umfangreichen Hilfsprogramm unterstützt werden. Premierminister Benjamin Netanyahu kündigte an, dass umgerechnet bis zu 20 Milliarden Euro bereitgestellt werden sollen.
"Die Rede ist von einem zusätzlichen Plan, der wirtschaftliche Sicherheit für die nächsten zwölf Monate garantiert und Geld auf die Konten bringt. Ein Sicherheitsnetz für alle Bürger Israels. Ich möchte, dass jeder von ihnen weiß, der Staat wird alles tun, was nötig ist, um die wirtschaftliche Not zu lindern."
Versprochene Hilfe kommt nicht an
Schnelle und unbürokratische Hilfe hatte Netanyahu den Betroffenen in der Corona-Krise schon mehrmals zugesagt. Doch die Unterstützung kam dann häufig nicht.
"Der Ministerpräsident sagt, dass er hilft aber die Vergangenheit zeigt, dass er viel redet, ohne etwas zu tun. So war es schon vor einem Monat. Er versprach viel, aber die Menschen bekamen nicht, was versprochen war",
sagt ein Demonstrant.
Im Anschluss an die Kundgebung in Tel Aviv kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Demonstranten versuchten, Straßen zu blockieren. Es gab Festnahmen. Der Frust in der Bevölkerung über die Regierungspolitik in der Corona-Krise nimmt zu. Das zeigen auch Umfragen.
Israels Finanzminister beteuerte, die zuletzt zugesagten finanziellen Direkthilfen schnell auszuzahlen. Am Mittwoch sei das Geld auf den Konten von Betroffenen, versprach der Minister. Er wird an dieser Aussage gemessen werden.
Israel: Großdemonstration gegen Regierung wegen Corona-Strategie
Tim Aßmann, ARD Tel Aviv
12.07.2020 08:43 Uhr
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