
EuGH-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung Ein Grundsatz mit Ausnahmen
Stand: 06.10.2020 12:36 Uhr
Mit dem EuGH-Urteil bleibt es zwar bei einem Verbot pauschaler Vorratsdatenspeicherung. Doch es gibt Ermittlern auch neue Befugnisse. Das könnte die Diskussion in Deutschland neu entfachen.
Von Bernd Wolf, ARD-Rechtsredaktion
Die Luxemburger Richter bleiben grundsätzlich bei ihrer Rechtsprechung. Das Sammeln persönlicher Telefon- und Internetdaten ohne Anlass, ohne Unterschied, auf Vorrat ist verboten.
Aber kein Grundsatz ohne Ausnahme: Wird jetzt die nationale Sicherheit eines EU-Mitgliedsstaates ernsthaft bedroht, dann darf er eine Vorratsdatenspeicherung anordnen.
EuGH begrenzt Vorratsdatenspeicherung
tagesschau 20:00 Uhr, 06.10.2020, Frank Bräutigam, SWR
Druck der EU-Staaten
Damit hat der EuGH seine radikal datenschützerische Rechtsprechung von vor vier Jahren etwas aufgeweicht. 2016 hatte er die anlasslose Vorratsdatenspeicherung verboten. Zu groß sei die Gefahr, dass alle Bürgerinnen und Bürger komplett durchleuchtet würden.
Viele EU- Staaten hatten sich damals beschwert. Wenn sie keinen Zugriff auf Internet- und Telefondaten Verdächtiger nehmen dürften, erschwere das die Strafverfolgung, Gefahrenabwehr und die Bekämpfung von Terror. Der Druck mancher Länder auf das höchste Gericht der EU muss stark gewesen sein.
Neue Werkzeuge für Ermittler
Eine Argumentation besagte: Es sei allein ihre Sache, für Sicherheit in ihrem jeweiligen Land zu sorgen, inklusive aller Maßnahmen, die die Regierungen für erforderlich hielten. Dem widersprach der EU-Gerichtshof zwar, aber er gab den Sicherheitsbehörden doch einige Ermittlungswerkzeuge an die Hand.
Droht etwa ernsthaft und nachweisbar ein Terroranschlag, dürfen Kontakt- und Standortdaten gespeichert und eingesehen werden. Einschränkung: nur so lange wie unbedingt erforderlich und ein Richter muss den Grundrechtseingriff genehmigen. Auch IP-Adressen darf die Polizei von den Internetprovidern herausverlangen.
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes erklärt formal nur die Vorratsdatenspeicherungen in Frankreich, Belgien und Großbritannien für unvereinbar mit EU-Recht; Länder also, die besonders unter islamistischem Terror litten.
Diskussion über deutsche Vorratsdatenspeicherung
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat auch die deutsche Vorratsdatenspeicherung dem EuGH zur Prüfung vorgelegt, entschieden ist noch nichts. Aber das Urteil heute wird die Diskussion neu entfachen, ob auch die Vorratsdatenspeicherung bei uns zurückgeschnitten werden muss.
Derzeit liegt sie auf Eis, weil der für die Speicherung zuständigen Bundesnetzagentur die deutsche Rechtsgrundlage - das ist das Telekommunikationsgesetz - zu dürftig erschien. Aus dem Luxemburger Urteil werden beide Seiten, Bürgerrechtler und Strafverfolger, Positives erkennen können. Aber eine umfassende anlasslose Vorratsdatenspeicherung wird es mit diesen EuGH-Richtern nicht so schnell geben.
Aktenzeichen: C-511/18
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