
Konflikt um Bergkarabach Armenier zünden eigene Häuser an
Stand: 14.11.2020 15:12 Uhr
Auch mehrere Tage, nachdem sich Armenien und Aserbaidschan auf den Waffenstillstand für Bergkarabach geeinigt haben, nehmen die Spannungen nicht ab. Armenier zerstören ihre Heime, bevor sie an gegnerische Soldaten gehen.
Anfang der Woche hatten sich Armenien und Aserbaidschan nach wochenlangen Kämpfen in Bergkarabach auf ein Abkommen einigen können, das den langfristigen Waffenstillstand in der Konfliktregion garantieren soll. Doch die Umsetzung des Kompromisses bringt erneut Spannungen mit sich.
Im Dorf Charektar im zu Bergkarabach gehörenden Bezirk Kalbajar zündeten armenische Bewohner ihre Häuser an. Bereits gestern hatten Dutzende Bewohner des Dorfes und aus der Umgebung damit begonnen, das eigene Heim in Flammen zu setzen. Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP begründete einer der Armenier dieses Handeln damit, dass die Häuser nicht aserbaidschanischen Soldaten in die Hände fallen sollen.
Armenier protestieren gegen Abkommen
In der armenischen Bevölkerung regt sich breiter Widerstand gegen das mit Aserbaidschan vereinbarte Abkommen. Gestern waren den vierten Tag in Folge in der Hauptstadt Eriwan Tausende Einwohner des Landes auf die Straße gegangen, um gegen den Kompromiss zu protestieren und den Rücktritt von Regierungschef Nikol Paschinjan zu fordern.
Russische Soldaten kontrollieren Waffenstillstand
Das zwischen Armenien und Aserbaidschan ausgehandelte Abkommen sieht vor, dass beide Länder in Bergkarabach die Gebiete behalten können, über die sie derzeit die Kontrolle haben. Für Armenien bedeutet das große Verluste, da Aserbaischan während der wochenlangen Gefechte große Teile der Südkaukasus-Region erobern konnte. Zu den Gebieten, die an Aserbaidschan gehen, zählt auch der Bezirk Kalbajar. Bis Sonntag soll die Kontrolle an Aserbaidschan übergeben werden. Als weitere Bezirke sollen Aghdam und Latchin folgen.
In der Nacht zu Dienstag war in den Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien unter russischer Führung der Durchbruch gelungen. Neben der Aufteilung der Gebiete sieht der Kompromiss auch vor, dass russische Soldaten nach Bergkarabach entsandt werden, um die Einhaltung des Waffenstillstands zu kontrollieren. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau sollen rund 2000 Einsatzkräfte diese Aufgabe übernehmen, berichtete die russische Agentur Interfax. Der Großteil sei bereits in Bergkarabach angekommen.
Armenien spricht von mehr als 2300 getöteten Soldaten
In einem weiteren Punkt des Abkommens kamen sowohl Armenien als auch Aserbaidschan ihrer Zusage bereits zum Teil nach: der Übergabe von getöteten Soldaten. Wie das aserbaidschanische Verteidigungsministerium mitteilte, seien die ersten armenischen Opfer an ihre Heimat übergeben worden. Im Gegenzug habe Armenien die Leichen von sechs Soldaten übergeben.
Wie viele Menschen durch die Kämpfe in den vergangenen Wochen ums Leben gekommen sind, ist noch unklar. Armenien spricht mittlerweile von mehr als 2300 Soldaten der eigenen Truppen, die getötet worden seien. Behörden in Bergkarabach meldeten bislang etwa 1000 Todesopfer weniger. Die aserbaidschanischen Behörden gaben noch keine offizielle Opferzahl bekannt.
Die von Armenien kontrollierte Region Bergkarabach gehört völkerrechtlich zum islamisch geprägten Aserbaidschan. Der Konflikt um die Region entbrannte nach dem Ende der Sowjetunion 1991, in der Bergkarabach den Status einer autonomen Region der UdSSR innehatte. 1992 brach Krieg um das Gebiet aus, in dem in den folgenden zwei Jahren etwa 30.000 Menschen getötet und Hunderttausende Menschen vertrieben wurden. Aserbaidschan hatte damals die Kontrolle über das von christlichen Karabach-Armeniern bewohnte Gebiet verloren. Eine 1994 vereinbarte Waffenruhe wird bis heute immer wieder durchbrochen.
Armenier ziehen sich aus zukünftig aserbaidschanischen Gebieten zurück
tagesschau 20:00 Uhr, 14.11.2020, Demian von Osten, ARD Moskau, zzt. Eriwan
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