
Menschenketten gegen Lukaschenko Weiterer Toter bei Protesten in Belarus
Stand: 13.08.2020 07:43 Uhr
Ungeachtet massiver Polizeigewalt haben den vierten Abend in Folge Menschen in vielen Städten in Belarus gegen Präsident Lukaschenko protestiert. Ein 25-jähriger Mann starb nach seiner Festnahme.
In Belarus haben den vierten Abend in Folge Menschen gegen den offiziell verkündeten Wahlsieg von Staatschef Alexander Lukaschenko protestiert. Auf Videos, die in sozialen Netzwerken verbreitetet wurden, ist zu sehen, wie Demonstrierende den Präsidenten dazu aufriefen, die Gewalt zu beenden und abzutreten. In der Hauptstadt Minsk und weiteren Städten bildeten sich Menschenketten gegen das harte Vorgehen der Polizei.
Weiterer Toter bei Protesten in Belarus gegen Präsident Lukaschenko
tagesschau 12:00 Uhr, 13.08.2020, Jo Angerer, ARD Moskau
Im Polizeigewahrsam gestorben
Am Abend wurde bekannt, dass ein am Dienstag in der Stadt Gomel festgenommener Mann im Gefängnis unter ungeklärten Umständen zu Tode kam. Nach Angaben des Senders Radio Free Europe/Radio Liberty sagte seine Mutter, ihr Sohn habe Herzprobleme gehabt und sei stundenlang in einem Polizeiwagen festgehalten worden. Er habe nicht an den Protesten teilgenommen, sondern sei auf dem Weg zu seiner Freundin gewesen, als er von der Polizei aufgegriffen worden sei.
Ein offizielles Untersuchungskomitee hatte mitgeteilt, der 25-jährige Mann sei am Sonntag bei einer "nicht genehmigten" Demonstration festgenommen worden. Am Montag war bereits ein Demonstrant in der Hauptstadt Minsk zu Tode gekommen - laut Regierungsangaben, weil ein Sprengsatz in seinen Händen explodierte.
Immer mehr Straßenproteste gegen Präsident Alexander Lukaschenko
tagesthemen 22:15 Uhr, 12.08.2020, Ina Ruck, ARD Moskau
Hartes Vorgehen - Solidarität wächst
Die Polizei setzte erneut Tränengas, Blendgranaten, Wasserwerfer und Gummigeschosse ein und schlug die Demonstranten mit Knüppeln. In Minsk schossen Beamte in schwarzen Uniformen und Sturmmasken wahllos mit Gummigeschossen in Richtung von Bürgern, die von Balkonen aus die Sicherheitskräfte ausbuhten und "Schande" riefen. Sie verfolgten Demonstranten bis in Wohnhäuser.
Die Polizei hatte zentrale Straßen der Hauptstadt abgesperrt. Rings um das Stadtzentrum waren Sicherheitskräfte postiert. Auch die U-Bahn-Stationen waren geschlossen. Polizisten patrouillierten auch durch Wohngebiete, wo sie laut Lokalmedien auf Autos feuerten und Menschen in Hauseingängen aufgriffen.
Zugleich wächst die Solidarität mit den Demonstranten. In Minsk traten mehr als 100 Ärzte gegen Gewalt auf. Der prominente Moderator des Staatsfernsehens, Jewgeni Perlin, kündigte angesichts der "Lügen" und "Gewalt" demonstrativ seinen Posten.
Nachbarländer wollen vermitteln
Unterdessen boten die Nachbarländer Litauen, Lettland und Polen an, zwischen der Regierung und der Opposition zu vermitteln. Ihr Drei-Punkte-Plan sieht die Schaffung eines Nationalrats vor, dem Vertreter der belarusischen Zivilgesellschaft sowie der Regierung angehören sollen. Zudem müssten vor den Verhandlungen alle inhaftierten Demonstranten freigelassen werden und die Gewalt gegen die Bürger aufhören.
Lukaschenko lehnt einen Dialog mit seinen politischen Gegnern bislang strikt ab. Er spielte den Protest gegen ihn herunter. "Der Kern dieser sogenannten Demonstranten sind Leute mit krimineller Vergangenheit und welche, die im Moment arbeitslos sind", sagte er.
Beratungen auf EU-Ebene
Heute beraten die EU-Außenminister in einer Sondersitzung über die Lage. Die EU hatte bereits mit Sanktionen wegen der anhaltenden Gewalt gegen die Demonstranten gedroht.
Ein weiterer Toter in Belarus bei Protesten gegen Präsident Lukaschenko
Christina Nagel, ARD Moskau
13.08.2020 10:20 Uhr
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